Als die Uhr in der ausverkauften Uber-Arena am 25. April 2025 auf 21:58 Uhr sprang, dröhnte die Sirene so laut, dass ihr Echo noch über die Spree lief, bevor es im Jubel ertrank. Goldfarbenes Konfetti rieselte von der Hallendecke auf 14.200 Zuschauer, die in der Mischung aus Erschöpfung und Ekstase nur noch eine Parole brüllten: „Für Tobi, für Berlin!“ In derselben Sekunde war klar, dass die Eisbären Berlin zum elften Mal deutscher Eishockey-Meister waren – und dass dieser Titel in einem Atemzug mit den großen Final-Legenden des Sports stehen würde.
Vom 5:1 zu drei makellosen 7:0-Erfolgen
Den Auftakt der Best-of-Seven-Serie gewannen die Berliner am 17. April mit 5:1. Ein Blitztor von Liam Kirk nach 25 Sekunden und drei Treffer innerhalb von sechs Minuten im Schlussdrittel ließen den Kölner Haien kaum Luft zum Atmen. Zwei Tage später stellten die Rheinländer ihre Widerstandskraft unter Beweis, als Gregor MacLeod in der Verlängerung das 2:1 erzielte und die Finalserie ausglich.
Was danach folgte, lässt sich nur als Machtdemonstration beschreiben. Berlin gewann Spiel 3 am Ostermontag mit 7:0 und ging erneut in Führung. Zwei Tage darauf schlug das Team von Serge Aubin in der Kölner Lanxess-Arena identisch zu und gewann mit einem weiteren 7:0. Der Schlusspunkt folgte am 25. April: Noch einmal 7:0, diesmal wieder in Berlin, diesmal für den Titel – eine Serie von drei Finalsiegen ohne Gegentor, die es in der DEL nie zuvor gegeben hatte.
In fünf Partien verbuchten die Eisbären 27 Tore und kassierten lediglich drei. Das Torverhältnis von +24 ist das beste, seit die Liga 1995 Play-offs einführte.
Hildebrand und die Null
Im Zentrum dieser Wucht stand Jake Hildebrand. Der US-amerikanische Goalie parierte in den letzten drei Spielen zusammen 76 Schüsse – 23 in Spiel 3, 28 in Spiel 4 und 25 in Spiel 5 – und schrieb sich mit drei Final-Shutouts in Folge allein an die Spitze der DEL-Geschichte. Wo seine Vorderleute stürmten, erstickte Hildebrand jeden Restkoffein in den Haiflossern. Nie wirkte er überdreht: ein kurzer Stockschlag hier, eine fast lässige Fanghand dort, dann das ritualisierte Klopfen ans Gestänge, während Pföderl oder Boychuk bereits zum nächsten Angriff ansetzten.
Systemische Übermacht: Wie Aubin Köln zermürbte
Serge Aubin arbeitet seit vier Jahren an einem Hybrid-Konzept aus nordamerikanischem Forecheck und europäischer Passpräzision. In dieser Finalserie griff das System ohne jeden Wackler. Drei nahezu gleichwertige Sturmreihen jagten Köln pausenlos in die Defensive, während eine vierte Reihe um Eric Hördler die Energie hielt, wenn die Stars durchschnauften. Statistisch erzeugte Berlin in den fünf Partien 162 Torschüsse, während Köln auf 93 kam; das Schuss-Verhältnis in Spiel 5 allein lag bei 41:25.
Auch das Überzahlspiel setzte Maßstäbe: Berlin verwandelte sechs seiner 22 Powerplays (27 Prozent), Köln lediglich eines von 17 (6 Prozent). Von der blauen Linie kommandierte Jonas Müller das Positionsspiel als Vertreter des etatmäßigen Kapitäns Kai Wissmann – der sich im zweiten Finalspiel eine Handverletzung zuzog und die restliche Serie nur im Anzug von der Bande verfolgen konnte –, sodass die Haie häufig schon am eigenen Bullykreis einfrohren.
Das Haifisch-Narrativ: Mut, Kratzer, Stolz
Für die Kölner Haie war das Finale ein mühseliger Drahtseilakt zwischen Hoffnung und Realität. Der Verlängerungssieg in Spiel 2 nährte kurz den Traum vom ersten Titel seit 2002, doch danach fraßen Verletzungen und das enorme Berliner Tempo die Substanz auf. Köln brachte in den letzten 180 Finalminuten keinen Puck mehr an Hildebrand vorbei, obwohl die Haie allein in Spiel 4 28 Abschlüsse registrierten. Moritz Müller bekannte später, man habe „jeden Tag versucht, eine neue Wand einzurennen“, und versprach, diese Erfahrung als Treibstoff für die Zukunft zu nutzen.
Emotionale Triebfedern: Der Geist von Tobias Eder
Unter dem Helm vieler Spieler steckte noch ein zweiter Motor – die Erinnerung an Tobias Eder. Der Stürmer war im Februar einem Krebsleiden erlegen, seine Nummer 22 hing seither in der Kabine und auf dem Videowürfel. Das Motto im restlichen Saisonverlauf und während der Play-offs war „Mit Tobi!“. Als Jonas Müller im dritten Spiel das 7:0 erzielte, richtete er den Zeigefinger gen Hallendach; die Kameras fingen das Bild ein und die Fans stimmten ein letztes Mal den Eder-Chor an. Dabei vibrierte die Halle wie selten zuvor.
Was der Titel für Berlin bedeutet
Meistertitel sind in der Unterhaltungsökonomie längst harte Währung. Der Pokal auf dem Mercedes-Platz lockte am Wochenende nach dem Finalsieg rund 30.000 Menschen an. Berlins Hotellerie meldete 9 Prozent Zusatzbelegung, Bars in Friedrichshain vermeldeten Umsatzrekorde, und der Fanshop der Eisbären verkaufte binnen 48 Stunden 25.000 Schal-Exemplare mit dem augenzwinkernden Aufdruck „Dreimal Sieben gleich Elf“. Die Stadtmarketing-Gesellschaft schätzt die unmittelbare Wertschöpfung der Finalwoche auf über zehneinhalb Millionen Euro.
Schlussakkord einer Saison für die Annalen
Der 25. April 2025 wird in Berlin als Nacht der Dreifach-Nullen in Erinnerung bleiben – nicht nur wegen der Statistikblätter, sondern weil er das seltene Gefühl eines perfekten Zusammenspiels offenlegte. Hier verband sich taktische Präzision mit emotionaler Wucht, individuelles Talent mit kollektiver Hingabe. Die Zahl elf, die nun als neuer Stern unter dem Hallendach glänzt, ist mehr als ein weiterer Zähler in der Rekordliste: Sie ist ein Versprechen, dass Eishockey in Berlin weiterhin Maßstäbe setzen kann.
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