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Wasserknappheit? Der große Irrtum – wie Sparen unser Trinkwasser vergiftet!

Wasserknappheit? Der große Irrtum!

Wasserknappheit? Der große Irrtum!

Mythos Wasserknappheit: Fakten statt Furcht

Die öffentliche Debatte über eine vermeintliche Knappheit unseres Trinkwassers folgt einem suggestiven Muster: Schlagzeilen warnen vor schwindenden Reserven, Ratgeber propagieren strengste Sparregeln, Kommunen rufen zum Verzicht auf. Doch wer genauer hinsieht, erkennt, dass diese Dramatisierung den physikalischen und statistischen Realitäten widerspricht. Wasser durchläuft einen geschlossenen Kreislauf; es wird gebraucht, aber nicht verbraucht. Selbst in industriellen Prozessen kehrt der größte Teil – gereinigt oder verdunstet – in die Atmosphäre, ins Grund‑ oder Oberflächenwasser zurück. Der Deutsche Verein des Gas‑ und Wasserfaches fasst das unmissverständlich zusammen: „Bei diesen Prozessen bleibt das Wasser dem Kreislauf erhalten“ (DVGW).

Hydrologische Lage in Mitteleuropa

Dasselbe gilt für Trinkwasser in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Weniger als drei Prozent des verfügbaren Süßwasserdargebots werden hierzulande überhaupt für die öffentliche Versorgung entnommen, und nur in vier Prozent der Grundwasserkörper übersteigt die Entnahme die Neubildung – meist in Bergbau‑ oder Küstengebieten, wo geologische Sonderfälle vorliegen (Umweltbundesamt). Trotz regionaler Trockenperioden besitzen die deutschsprachigen Staaten ein komfortables hydrologisches Polster, gespeist aus hohen Niederschlagsraten, großen Grundwasserleitern und modernen Fernwasserversorgungen.

Gleichzeitig sinkt der häusliche Wassergebrauch seit drei Jahrzehnten: 1991 flossen pro Kopf täglich 144 Liter, 2022 waren es 125 Liter, aktuell liegt der Durchschnitt bei 126 Litern (Umweltbundesamt). Technischer Fortschritt – effizientere Armaturen, sparsame Maschinen, geringere Leckageraten – hat die Vision einer „200‑Liter‑Gesellschaft“, die Planer der siebziger Jahre für wahrscheinlich hielten, ad absurdum geführt. Würde jeder Einwohner den Verbrauch auf hundert Liter drücken, läge die landesweite Entnahme immer noch bei kaum einem Drittel dessen, was die Hydrologie bereitstellt.

Wenn Sparen schadet: Die Qualitätsfrage

Problematischer ist nicht der Mengenentzug, sondern die Qualität des Wassers im Netz. Trink‑ und Abwasserleitungen sind jahrzehntelang auf höhere Durchsätze ausgelegt worden. Sinkende Volumenströme verlängern die Aufenthaltszeit in beiden Netzen: Im Trinkwassersystem fördert das Biofilm‑ und Bakterienwachstum, im Kanal steigern sie Fäulnis, Korrosion und Geruchsbelästigung. Wo Rohrquerschnitte überdimensioniert sind, müssen Versorger heute mit Spülprogrammen nachhelfen, um Ablagerungen zu verhindern – ein Vorgehen, das paradox mehr Wasser verbraucht, als es vermeintlich einspart (Umweltbundesamt, Abschnitt 7). Praktiker berichten von handfesten Folgen: In Kanälen mit zu wenig Schwallgeschwindigkeit trocknen Feststoffe an, Verstopfungen häufen sich, und Klärwerke registrieren stärker konzentriertes Abwasser (Berliner Wasserbetriebe).

Chemische Last des Haushalts

An dieser Stelle kommen die vermeintlich harmlosen Spül‑ und Waschmittel ins Spiel. Weil die Haushalte weniger Wasser einsetzen, erreichen Tenside, Phosphate, Enzyme und komplexe Hilfsstoffe das Klärwerk in höherer Konzentration. Allein die Deutschen setzten 2023 rund 547 000 Tonnen Waschmittel ab; der Pro‑Kopf‑Verbrauch ist zwar von 7,7 Kilogramm im Jahr 2001 auf 6,5 Kilogramm gesunken, doch die absolute Menge bleibt gewaltig (Industrieverband Körperpflege‑ und Waschmittel, IKW). Addiert man Geschirr‑, Oberflächen‑ und WC‑Reiniger, steigt die chemische Last deutlich über 800 000 Tonnen. Auf einen typischen Zwei‑Personen‑Haushalt entfallen damit zwölf bis fünfzehn Kilogramm Detergenzien pro Jahr.

Die Reinigungstechnologie hat große Fortschritte gemacht – konzentrierte Pulver, Flüssiggels, Gelkapseln –, doch unzureichendes Ausspülen kehrt diesen Nutzen in ökologischen Schaden um. Kläranlagen können konventionelle Inhaltsstoffe zuverlässig abbauen; problematisch sind jedoch sogenannte Spurenstoffe. Ein prominentes Beispiel ist Benzotriazol, früher in maschinellen Geschirrreinigern als Silberkorrosionsschutz genutzt. Dank eines Runden Tisches unter Führung des Bundesumweltministeriums sank der Einsatz von 137 Tonnen im Jahr 2008 auf elf Tonnen 2024 – ein Erfolg, der zugleich zeigt, wie empfindlich das System auf einzelne Additive reagiert (BMUV‑Bericht).

Wasser sparen, Chemie erhöhen?

Wasser sparen im falschen Moment stört diesen Reinigungsprozess gleich doppelt: Zum einen fehlen Spülvolumina, um die Wasch‑ und Spülmittel in der Maschine restlos auszutragen, was zu höheren Dosierungen verleitet; zum anderen erreicht das stärker kontaminierte Abwasser flussabwärts Klärwerke, deren biologische Stufen auf bestimmte Belastungen dimensioniert sind. Weil Einleiter im industriellen Maßstab strengen Grenzwerten unterliegen, verlagert sich die Diskussion zunehmend auf Haushalte, in denen – kumuliert – die größere chemische Fracht entsteht (Umweltbundesamt).

Detergenzien im Zahlenvergleich

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Wasch‑, Pflege‑ und Reinigungsprodukte machten 2023 in Deutschland knapp 2000 Tonnen an spezifischen Schlüsselchemikalien aus, vom Phosphonat bis zum Parfümöl (IKW‑Nachhaltigkeitsbericht). Hinzu kommen Mikroplastik aus synthetischen Textilfasern und Duftstoffe, die hormonaktive Wirkungen entfalten können. Die Branche reagiert, indem sie Produkte kompakter formuliert und freiwillige Nachhaltigkeits‑Label einführt, doch ohne angemessene Verdünnung im häuslichen Abwasser verlieren diese Fortschritte an Wirkung.

Kläranlagen rüsten deshalb mit einer vierten Reinigungsstufe auf; bislang verfügen erst 55 der rund 8700 deutschen Anlagen über Ozon‑, Aktivkohle‑ oder Membranverfahren, die Mikroschadstoffe effizient eliminieren können (Umweltbundesamt). Dieser Ausbau kostet Milliarden. Jeder zusätzliche Milliliter unnötig eingesetzter Chemie vergrößert nicht den Wasserfußabdruck, wohl aber den Energie‑ und Ressourcenbedarf der Abwasserreinigung.

Weniger Chemie durch kluge Nutzung

Nachhaltigkeit im Wassersektor wird somit weniger durch asketisches Sparen erreicht als durch intelligente Steuerung der Stoffströme. Was das bedeuten kann, zeigt ein Beispiel aus der Küchenpraxis. Wer hartnäckige Stärke‑ oder Fettrückstände ohne Vorspülen loswerden will, braucht bei einem Standardprogramm häufig 18 bis 22 Gramm Pulver. Schaltet er stattdessen auf ein 30 Prozent längeres, lauwarmes Eco‑Programm und sorgt dafür, dass die Maschine voll beladen läuft, genügen 12 bis 14 Gramm – bei identischer Füllmenge und einem Wasserplus von nur zwei Litern. Auf ein Jahr hochgerechnet spart das in einem Vier‑Personen‑Haushalt ein Kilogramm Spülmittel, obwohl insgesamt mehr Wasser geflossen ist.

Ähnliches gilt für die Waschmaschine: Eine Verlängerung des Hauptwaschgangs um wenige Minuten erhöht den Stromverbrauch nur marginal, senkt aber die chemische Dosis spürbar. Eco‑Programme verzichten auf hohe Temperaturen, kompensieren dies durch Zeit – und benötigen weniger Waschpulver. Die Formel lautet: Ein Liter zusätzliches Spülwasser kostet energetisch weniger als die Produktion, Verpackung, Logistik und Klärbehandlung eines einzigen zusätzlichen Gramms Detergent.

Ausblick: Qualität statt Quantität

Trinkwasser zu schonen ist dort sinnvoll, wo knappe lokale Quellen geschützt oder Warmwasserenergie reduziert wird. Für den Kaltwassergebrauch aber gilt: Qualität schlägt Quantität. Es ist keine Verschwendung, den Spülgang um zehn Sekunden zu verlängern, wenn dadurch weniger Chemikalien in Flüsse und Seen gelangen. Ebensowenig ist es verwerflich, Wäsche bei mittlerer Trommelfüllung gründlich nachzuspülen, statt Flecken mit doppelt dosiertem Vollwaschmittel zu überdecken.

Der Mythos vom „verbrauchten“ Wasser verdeckt diese Tatsache und lenkt die öffentliche Wahrnehmung in eine Sackgasse. Unser Wasser ist nicht knapp – wohl aber kann es unwiederbringlich kontaminiert werden. Davor schützt keine Spar‑, sondern eine Stoffbilanz: weniger Chemie, ausreichend Spülvolumen, vorausschauende Infrastruktur. Dann bleibt das Wasser, das wir nur „leihen“, den kommenden Generationen so rein zurück, wie wir es vorgefunden haben.